Freihändige Vergaben im öffentlichen Sektor: Ihr Weg zu flexiblen Aufträgen

Das Thema der freihändigen Vergabe ist im Kontext des öffentlichen Auftragswesens von großer Bedeutung.

Da es eine flexible Alternative zu den formalisierten Vergabeverfahren darstellt, aber gleichzeitig auch potenzielle Risiken birgt. Lassen Sie uns tiefer in die Materie eintauchen.

Die rechtliche Grundlage und Abgrenzung:

Die Zulässigkeit der freihändigen Vergabe ist in den jeweiligen Vergabegesetzen und -verordnungen auf Bundes- und Landesebene geregelt. Im Bereich der Bauleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte ist dies primär in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A), insbesondere in § 3 Abs. 3, verankert. Für Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte finden sich entsprechende Regelungen in den Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) der Länder. Oberhalb der EU-Schwellenwerte kommt das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung gemäß § 14 der Vergabeverordnung (VgV) in Betracht, welches ähnliche Charakteristika aufweist.

Es ist entscheidend, die freihändige Vergabe klar von anderen Vergabeverfahren abzugrenzen:

  • Öffentliche Ausschreibung: Hier wird eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Angebotsabgabe aufgefordert. Der Zuschlag wird in der Regel dem wirtschaftlichsten Angebot erteilt.
  • Beschränkte Ausschreibung: Hier fordert der Auftraggeber nach einer Eignungsprüfung eine begrenzte Anzahl von Unternehmen zur Angebotsabgabe auf.
  • Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb: Ein vorgeschalteter öffentlicher Teilnahmewettbewerb dient dazu, geeignete Unternehmen für die anschließende beschränkte Ausschreibung zu ermitteln.

Die freihändige Vergabe umgeht diese formalen Schritte und ermöglicht eine direktere Interaktion zwischen Auftraggeber und potenziellen Auftragnehmern.

Die Rolle der Wertgrenzen:

Ein häufiger Grund für die Zulässigkeit einer freihändigen Vergabe ist die Unterschreitung bestimmter Wertgrenzen. Diese Schwellenwerte sind nicht bundeseinheitlich und variieren je nach Bundesland und Art der Leistung (Bau, Liefer- und Dienstleistungen). Sie sollen sicherstellen, dass für kleinere Aufträge ein weniger aufwendiges Verfahren gewählt werden kann. Es ist für Unternehmen unerlässlich, die in ihrem jeweiligen Bundesland geltenden Wertgrenzen zu kennen, um die Chancen und Voraussetzungen für freihändige Vergaben einschätzen zu können.

Dringlichkeit und besondere Umstände:

Neben den Wertgrenzen spielen Dringlichkeit und besondere Umstände eine wichtige Rolle. Wenn beispielsweise unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die eine sofortige Leistungserbringung erfordern (z.B. Beseitigung von Hochwasserschäden, Reparatur sicherheitsrelevanter Infrastruktur), kann eine freihändige Vergabe gerechtfertigt sein, um zeitliche Verzögerungen und damit verbundene negative Folgen zu vermeiden. Auch wenn eine bestimmte Leistung aufgrund ihrer Spezifität nur von einem einzigen Unternehmen erbracht werden kann (z.B. aufgrund von Patenten oder einzigartigem Know-how), ist eine freihändige Vergabe eine logische Konsequenz.

Das Verfahren der freihändigen Vergabe im Detail:

Obwohl formloser, sollte auch eine freihändige Vergabe einem gewissen transparenten Prozess folgen, um den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Gleichbehandlung so weit wie möglich Rechnung zu tragen:

  1. Bedarfsermittlung und Leistungsbeschreibung: Der Auftraggeber definiert den Bedarf und erstellt eine (oft weniger detaillierte als bei Ausschreibungen) Leistungsbeschreibung.
  2. Auswahl potenzieller Unternehmen: Der Auftraggeber identifiziert geeignete Unternehmen, die die geforderte Leistung erbringen können. Hierbei sollte in der Regel eine gewisse Markterkundung stattfinden, und – soweit möglich und wirtschaftlich sinnvoll – mehrere Unternehmen (oftmals mindestens drei) zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.
  3. Anforderung von Angeboten: Die ausgewählten Unternehmen werden direkt kontaktiert und zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Die Angebotsfrist ist in der Regel kürzer als bei förmlichen Verfahren.
  4. Verhandlungen: Im Unterschied zu Ausschreibungen besteht bei der freihändigen Vergabe die Möglichkeit, über die Preise, die technischen Details und die sonstigen Vertragsbedingungen zu verhandeln. Dies ermöglicht eine größere Flexibilität bei der Auftragsgestaltung.
  5. Prüfung und Wertung der Angebote: Der Auftraggeber prüft die eingegangenen Angebote und wertet sie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Das wirtschaftlichste Angebot erhält in der Regel den Zuschlag.
  6. Vertragsabschluss: Nach der Zuschlagserteilung wird ein Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem ausgewählten Unternehmen geschlossen.
  7. Dokumentation: Auch freihändige Vergaben müssen ordnungsgemäß dokumentiert werden, um die Einhaltung der vergaberechtlichen Grundsätze nachweisen zu können. Die Begründung für die Wahl der freihändigen Vergabe ist hierbei besonders wichtig.

Chancen und Risiken für Unternehmen:

Für Unternehmen bieten freihändige Vergaben sowohl Chancen als auch Risiken:

  • Chancen:
    • Direkter Kontakt zum Auftraggeber: Dies ermöglicht eine bessere Kommunikation und die Chance, die eigenen Stärken und Kompetenzen direkt zu präsentieren.
    • Verhandlungsmöglichkeiten: Unternehmen können ihre Preise und Leistungen aktiv verhandeln und so möglicherweise bessere Konditionen erzielen.
    • Schnellere Auftragsvergabe: Die kürzeren Verfahrensdauern können zu schnelleren Aufträgen führen.
    • Chancen für Spezialisten und lokale Anbieter: Unternehmen mit spezifischem Know-how oder einer starken lokalen Präsenz können bei freihändigen Vergaben bevorzugt berücksichtigt werden.
  • Risiken:
    • Geringere Transparenz: Unternehmen, die nicht direkt angefragt werden, haben keine Chance auf den Auftrag.
    • Abhängigkeit von persönlichen Kontakten: Die Auswahl der Unternehmen kann unter Umständen von persönlichen Beziehungen beeinflusst sein.
    • Weniger Wettbewerb kann zu niedrigeren Margen führen: Auftraggeber können den fehlenden Wettbewerbsdruck nutzen, um niedrigere Preise zu fordern.

Die Bedeutung von Transparenz und Wettbewerb auch bei freihändigen Vergaben:

Auch wenn die freihändige Vergabe weniger formalisiert ist, bleiben die Grundsätze der Transparenz und des Wettbewerbs wichtig. Auftraggeber sind angehalten, auch bei freihändigen Vergaben einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, soweit dies unter den gegebenen Umständen möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Dies kann beispielsweise durch die Einholung mehrerer Vergleichsangebote oder eine transparente Begründung der Auswahlentscheidung geschehen.

Die Weiterentwicklung des Vergaberechts:

Das Vergaberecht ist einem ständigen Wandel unterworfen. Die Tendenzen gehen dahin, die Transparenz und den Wettbewerb auch bei Unterschwellenvergaben zu stärken. Dies führt möglicherweise zu einer restriktiveren Auslegung der Voraussetzungen für freihändige Vergaben in der Zukunft. Unternehmen sollten sich daher stets über die aktuellen Entwicklungen im Vergaberecht informieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die freihändige Vergabe ein wichtiges Instrument im öffentlichen Auftragswesen darstellt, das unter bestimmten Voraussetzungen eine flexible und schnelle Auftragsvergabe ermöglicht. Für Unternehmen ist es entscheidend, die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Chancen und Risiken sowie die Verfahrensabläufe zu verstehen, um diese Form der Auftragsvergabe erfolgreich nutzen zu können. Die Einhaltung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Transparenz und Gleichbehandlung bleibt jedoch auch bei freihändigen Vergaben oberstes Gebot für öffentliche Auftraggeber.